In diesem Beitrag erzählt eine Userin, wie sie dank ihres neuen Jobs aufgehört hat, die Tage bis zur Pension zu zählen.
Mein Lebensweg war immer schon eher eine Anhäufung von Zufällen als ein erkennbarer Weg. Humanistisch und musikalisch gebildet, begab ich mich damals nach der Matura völlig orientierungslos und schlecht beraten nach Graz, um als wackere Studentin Soziologie zu studieren und notgedrungen irgendwie auch abzuschließen.
Dass ich in diesen Jahren dachte, den Durchblick zu haben, lag schlichtweg daran, dass ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war, um zu erkennen, was die Welt alles zu bieten hatte.
Was die soziale Arbeit mit mir machte
Über zahlreiche Umwege kehrte ich 2013 nach Linz zurück und landete in der Personalvermittlung. Warum auch nicht? Viele Branchen und Unternehmen kennen lernen, klang attraktiv und Hands-on-Mentalität hatte ich inzwischen genug erworben. Was mir über die Jahre aber zum Verhängnis wurde, war der soziale Anspruch des sogenannten „sozialökonomischen Betriebs“, für den ich tätig war. Es war mir leider nicht gleich bewusst, was soziale Arbeit mit mir machte, bzw. muss ich mir wohl auch eingestehen, dass meine Vorstellungen von benachteiligen Personen eher sozialromantischer als realistischer Natur waren.
Über die Jahre häuften sich die negativen Erlebnisse. AlkoholikerInnen, BildungsverliererInnen und jene, die nicht erkennen wollten, dass ihre Großmannssucht sie erst in ihre prekären Lagen gebracht hatte, begannen zusehends an meinem Nervenkostüm zu nagen. Irgendwann sah mir ein psychologisch geschulter Mensch tief in die Augen und meinte: „Merken Sie eigentlich, dass Sie total abfällig über Ihre Leute reden?“ Natürlich merkte ich das, aber ich war der unbedingten Ansicht, dass sie das verdient hatten!
Hinzu kamen permanenter Budgetdruck, der dieser Branche schicksalshaft innewohnt und seltsame Gepflogenheiten wie beispielsweise ein sehr ambivalenter Leistungsbegriff. Ich möchte allerdings betonen, dass dies branchen- und nicht firmenspezifisch ist!
Ein Kreis in einer Welt aus Quadraten
Nach und nach wurde der Mühlstein um meinem Hals immer schwerer. Es häuften sich unnötige Konflikte im Kollegium und mit der Führungsetage und ich begann, erste gesundheitliche Warnsignale wahrzunehmen.
Ich musste mir eingestehen, dass ich mich definitiv nicht dafür eigne, Menschen liebevolle Fürsorge angedeihen zu lassen. Überhaupt nicht.
Es gelang mir immer weniger, Leuten, die Chance um Chance fahrlässig „hingeschmissen“ hatten, mit einem verständnisvollen „Hat halt eine Auszeit gebraucht“ zu begegnen.
Was war ich bloß in einer Welt, in der Menschen ihre guten Jobs in der Privatwirtschaft hinschmissen, um „etwas Sinnvolles für Menschen“ zu tun?! Mir wurde permanent gesagt, dass ich „etwas für Menschen“ getan hätte und empfand es dennoch als völlig sinnbefreit! Ich fühlte mich wie ein Kreis in einer Welt aus Quadraten.
Ich dachte irgendwann darüber nach, wie es sich wohl anfühlen würde, am Arbeitsmarkt mal zur Abwechslung die Gewinnerin und nicht die Soziologin zu sein… Und dann begann ich, das Ruder zwar nicht herumzureißen, aber doch langsam in eine andere Richtung zu drehen. Ich entdeckte eine Tür zu einem Weg nach draußen – ein berufsbegleitendes Fernstudium der Wirtschaftsinformatik. Mit jeder guten Note wuchsen mein Selbstvertrauen und die Hoffnung, dass ich irgendwann doch noch etwas anderes sehen werde als meinen selbstprogrammierten Pensions-Counter („Nur noch 24 Jahre, 3 Monate und 17 Tage; nur noch 24 Jahre, 3 Monate und 16 Tage; nur noch…“).
Erste Bewerbungsgespräche verliefen wie erwartet deprimierend – das Highlight der Absagen lautete: „Frau Nusko, Sie wären ein Abenteuer! Und das konnten wir jetzt einfach nicht riskieren!“ Bis heute kann ich nur darüber spekulieren, was an meiner Selbstpräsentation so „abenteuerlich“ gewesen war.
Heute bin ich überzeugt, dass mich das Schicksal aus gutem Grund in die Warteschleife gehängt hat. Und dieser Grund erschien eines Tages direkt vor meinen Augen, (eigentlich) unübersehbar und mitten in Linz.
Die voestalpine AG
Weltkonzern und identitätsstiftend für meine Heimatstadt, die ich (im Rückspiegel betrachtet) nie hätte verlassen sollen.
Das Bewerbungsgespräch war das erste, bei dem ich das Gefühl hatte, nicht von der Kripo vorgeladen worden zu sein. Da waren einfach nur zwei Menschen, die mich auf Augenhöhe betrachteten und ein normales Gespräch mit mir führten. Ich konnte mit ihnen problemlos über die Langeweile sprechen, die ich bei der intellektuell unterfordernden Arbeit empfand und auch über den Eindruck, keine Perspektiven mehr zu sehen – und es war plötzlich nicht mehr ungehörig zu sagen, dass man vom Arbeitsleben noch mehr erwartet als das, was man aktuell hat.
Heimat gefunden
Und wenig später wurde mir das Beste, was mir in meinem Leben je passiert ist, zuteil – eine Zusage von einem Konzern, der von der ersten Sekunde an mehr Heimat als Arbeitsplatz für mich war.
Ein Onboarding-Prozess, wie er im Bilderbuch steht, ebnete mir den Weg ins Recruiting. Der erste Gedanke, der sich aufdrängt, ist wahrscheinlich der, dass ich auch hier mit Menschen zu tun habe. Stimmt! Aber das ist auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Denn nun habe ich mit Menschen zu tun, die hier sein wollen. Hier helfe ich einem bedeutenden Industriebetrieb, das Personal zu finden, das benötigt wird, um durch herausfordernde Zeiten zu kommen und ich habe die Möglichkeit, Andere mit meiner Begeisterung anzustecken.
Die ersten Monate waren mehr Therapie als Arbeit. Ich fühlte nach und nach, wie meine Kreativität zurückkehrte, sowohl beim Schreiben, als auch in der Musik. Dabei ist mir das Blasorchester der voestalpine AG bei der Erhaltung und Entwicklung dieser Kreativität überaus behilflich .
Selbstverständlich gibt es auch hier Ecken und Kanten, die ich nicht für ganz ideal befinde. Aber der Unterschied zu früher ist, dass ich hier nach Leibeskräften mithelfen möchte, so manche Hürde zu überwinden und nicht an diesen verzweifle und jede Hoffnung verliere.
Auch wenn mein Tag nur 24 Stunden hat – mit der Energie, die dieses Unternehmen in mir entfacht hat, komme ich auch im berufsbegleitenden Studium gut voran. Die Entwicklungsmöglichkeiten, die nur ein Weltkonzern zu bieten hat, tragen ihr Übriges zu meiner Begeisterung und Motivation bei. Wohin mich die weiteren Schritte führen werden? Ich hoffe, innerhalb des Konzerns dorthin, wo ich am dringendsten gebraucht werde.
Und übrigens: meinen selbstprogrammierten Pensions-Counter habe ich weggeschmissen. Wenn’s nach mir geht, dürfen Sie mich eines Tages gerne unter dem Schreibtisch herausziehen.
Mag. Julia Nusko ist eine musikalisch beflissenene Geisteswissenschaftlerin, die aktuell mit großer Begeisterung Software Entwicklung erlernt und mit einer Anstellung in der voestalpine Personal Services GmbH ihren beruflichen Heimathafen gefunden hat.
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