WIR MACHEN HALBE-HALBE – Ein Vater tauscht Karriere mit Kinderbetreuung

Schimank-Fanto

Vom langjährigen IT-Manager in einem globalen Finanzkonzern zu einem selbstständigen Schriftsteller – STANDARD Leser Andreas erzählt uns, wie die Elternteilzeit seinen Berufsweg nachhaltig verändert hat.

Ja, ich verdiente fast das Doppelte meiner Frau. Ja, ich musste meine Führungsposition aufgeben. Trotzdem blieb ich bei meinem Kind zu Hause. Und wertschätze jede Minute davon.

Als langjähriger IT-Manager in einem globalen Finanzkonzern habe ich den Schritt gewagt und bin trotz massiven Einkommensverlustes in Elternteilzeit gegangen. Ich war bis dahin in komplexen   herausfordernden Projekten in leitender Rolle involviert. Warum sollte ich dann dem allerwichtigsten Projekt in meinem Leben, unserer Tochter, nicht die höchste Priorität widmen?

Mein Entschluss geriet auch nicht ins Wanken, als ich zu guter Letzt auch noch meine leitende Position als Führungskraft aufgeben musste. Für meine Tochter zu sorgen, für sie im Alltag da zu sein und mit ihr viel Zeit verbringen zu können, fühlte sich so viel richtiger an als Karriere und Geld.

Weil es um mehr geht, als nur das Gehalt nach Hause zu bringen, weil auch die Frau Karriere machen will, weil auch der Vater einem Kind sehr viel mitzugeben hat. Weil es aber auch aufgrund der beruflichen Rahmenbedingungen so ist, dass ein Elternteil keine andere Wahl hat, als in Teilzeit arbeiten zu gehen. In herausfordernden Berufen zu arbeiten, in denen die Erfordernis ständiger Verfügbarkeit immer größer wird, in denen Unternehmen zwar Work-Life-Balance propagieren, aber trotzdem jederzeit volle Einsatzbereitschaft erwarten, bleiben die Kindererziehung und das Familienleben bei gleichzeitiger Vollzeitbeschäftigung beider Elternteile allzu oft auf der Strecke.

Elternteilzeit
Foto: Andreas Schimanko mit Tochter

Natürlich kann und will sich das nicht jeder leisten. Wir sind „späte“ Eltern, haben viel Vorarbeit geleistet und konnten hier deshalb auf Rücklagen zugreifen, die uns Flexibilität und den nötigen Rückhalt geben. Wir mussten unsere Prioritäten von Beruf, Karriere und Privatleben nach der Geburt unsere Tochter neu bewerten. Dies half uns, dem Wesentlichen, worum es uns geht im Leben, Familie, Gesundheit und Zeit, einen neuen Stellenwert zu geben.

Mit dem vollendeten 7. Lebensjahr endete die gesetzliche Möglichkeit der Elternteilzeit, gerade als unsere Tochter eingeschult wurde. Auch wenn mein damaliges Unternehmen viel unternahm, um Familien zu unterstützen, wurde mir leider nicht die Chance geboten, weiterhin in Teilzeit zu arbeiten. Meine Position erforderte laufende Präsenz, persönlich oder virtuell, es galt internationale Termine wahrzunehmen, Teams zu führen, globale Programme zu koordinieren, kurz, permanent verfügbar und ansprechbar zu sein. Ich hatte Verständnis für die Argumente meines Arbeitgebers, und schließlich waren ja für den begrenzten Zeitraum der Elternteilzeit alle Hebel in Bewegung gesetzt worden, um diese zu ermöglichen. Doch so sehr ich mich auch wieder in das berufliche System hineinziehen ließ, schwang auch etwas Wehmut mit. Die Zeit mit meiner Tochter spürte sich einfach besser an als jegliches Erfolgserlebnis im Job oder eine fette Gehaltserhöhung.   

Auf jeden Fall waren wir nun von der herausfordernden Situation betroffen, Omas und Opas regelmäßig einzusetzen, Nannys zu engagieren, und auf die Hilfe von Freunden zurückzugreifen. Meine Frau und ich stimmten laufend unsere Terminpläne ab, versuchten jede Woche aufs Neue eine geregelte Kinderbetreuung zu organisieren und auch gemeinsame Familienzeit freizuschaufeln. In einer dynamischen Berufswelt trotz Homeoffice und flexibler Arbeitszeiten manchmal kein leichtes Unterfangen, Terminänderungen konnten sich da schnell fatal auswirken. Irgendwie schafften wir es immer, aber auf Dauer war die Situation unbefriedigend. Den Großeltern war aufgrund ihres fortschreitenden Alters ein regelmäßiger Einsatz nicht mehr zumutbar und wir wollten unsere Tochter auch nicht übermäßig in fremde Aufsicht geben.

Foto: Familie Fanto-Schimanko

Als unsere Tochter am Sprung von der Volkschule ins Gymnasium war, hielten wir Familienrat. Ich wollte mich beruflich verändern, ich war erschöpft und unzufrieden mit der Situation. Ich spielte schon seit Längerem mit dem Gedanken, mich beruflich zu verändern, mich selbständig zu machen, ein Buch zu schreiben. Auch für meine Frau, die aufgrund einer neuen Position ihren Verantwortungsbereich erweiterte, würde es entlastend sein, wenn ich wieder mehr Zeit zu Hause wäre. Und unsere Tochter würde, zumindest anfänglich, Unterstützung in schulischen Belangen benötigen. Die Zeit war reif für Veränderung.

Foto: Familie Fanto-Schimanko

Der Ausstieg aus dem Job nach 30 Jahren war natürlich ein emotionales Unterfangen, schließlich gab ich eine unkündbare Stellung mit sehr guter Bezahlung auf, ich fühlte mich meinem Unternehmen immer sehr verbunden und wurde dort sehr wertgeschätzt. Dank der vorangegangenen langen und intensiven Abwägung war ich jedoch sicher, das Richtige zu tun und einigte mich auf einen fairen Exit.

Mittlerweile bin ich zu Hause, schreibe an meinen Büchern, von Zeit zu Zeit arbeite ich in einem Netzwerk selbständiger Experten, bei denen ich mein berufliches Wissen einbringen kann. Meine Frau kann sich auf ihren Job konzentrieren, reserviert aber so viel wie möglich Zeit für die Familie. Und unsere Tochter? Die ist mittlerweile auf dem Weg in die Oberstufe und entwickelt sich prächtig. Ich denke, sie ist so wie wir Eltern mit der Situation sehr zufrieden.


Andreas Schimanko arbeitete für gut 30 Jahre als IT-Manager in einem globalen Finanzkonzern und hat sich nach der Elternteilzeit für eine Karriere als Schriftsteller entschieden. Zudem arbeitet er von Zeit zu Zeit in einem Netzwerk selbständiger Experten, bei denen er sein berufliches Wissen einbringen kann.


Sie haben auch eine Geschichte zu Ihrem beruflichen Werdegang und wollen diese mit der STANDARD-Community teilen? DER STANDARD veröffentlicht jeden Monat eine Karriere-Usergeschichte.

So machen Sie mit:

  • Schicken Sie einen kurzen Text zu Ihrer Geschichte und Bilder Ihrer typischen Arbeitsutensilien von sich an Ihrem Arbeitsplatz oder während des typischen Arbeitsalltags per E-Mail an: stellungswechsel@derStandard.at.
  • Sobald Ihre Geschichte ausgewählt wurde, meldet sich ein STANDARD-Mitarbeiter bei Ihnen. Im Anschluss schreiben Sie dann einen Artikel (maximal 6.000 Zeichen) auf jobs.derStandard.at.
  • Jeden Monat wird eine neue Geschichte auf jobs.derStandard.at präsentiert.

DER STANDARD freut sich schon auf Ihren Beitrag!

Teilnahmebedingungen:
Das von dem User/der Userin gelieferte Text-, Bild- und Videomaterial kann von DER STANDARD online, gegebenenfalls in Print und auf den Social-Media-Kanälen von DER STANDARD vollständig und unbeschränkt verwendet werden.
DER STANDARD behält sich die Vornahme von Änderungen an dem übermittelten Material vor.
Der User/die Userin stimmt zu, dass er oder sie von DER STANDARD online, gegebenenfalls in Print und auf den Social-Media-Kanälen von DER STANDARD namentlich erwähnt werden darf.FacebookWhatsAppLinkedIn

Mehr zum Thema

Offene Positionen bei Top-Unternehmen im September 2019

Offene Positionen bei Top-Unternehmen im September 2019

Unternehmen der Banken- und Versicherungsbranche sowie Dienstleistungsunternehmen suchen im September neue Talente.

Wie finde ich den richtigen Ferialjob?

Wie finde ich den richtigen Ferialjob?

Mit einem Ferialjob im Sommer lassen sich erste Berufserfahrungen sammeln und das Konto aufbessern. Vor der Bewerbung sollte man sich überlegen, aus welchem Grund man…

Mitarbeitergespräch vorbereiten: Tipps für Mitarbeiter und Chefs

Mitarbeitergespräch vorbereiten: Tipps für Mitarbeiter und Chefs

Damit das jährliche Mitarbeitergespräch nicht zur Zeitverschwendung wird, finden Sie hier nützliche Tipps – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.